Zwei Hinterteile, beinahe Bild füllend, klemmen im Zwischenraum zwischen Wohnzimmerschrank und Küchenwand. Heinz und Stefan Becker sind die Besitzer dieser Kehrseiten. Auf Händen und Knien versuchen sie mit frischer Auslegware neuen Glanz in die gute Stube zu bringen. Schon am Transport der riesigen Teppichrolle ins traute Heim wären die Beiden fast gescheitert. Und man fragt sich unwillkürlich, wie haben's die Beckers überhaupt geschafft, so alt zu werden? Aber jetzt soll munter gewerkelt werden. Nur wie's richtig geht scheint keiner der Beiden zu wissen. Also diskutiert und streitet man, und Mutter Hilde steht, das ist halt ihre Art, immer zur rechten Zeit am falschen Platz. "Auf Händen und Knien" gehört zu jenen Folgen aus der Feder Gerd Dudenhöffers, die gerade durch räumliche Enge die komische Verwicklung auf die Spitze treiben. Heinz, der ewige Heimwerker, ist zu jedem Fehler bereit und schreckt natürlich nicht davor zurück, die Wohnzimmertapete mit Filzstift zu ruinieren, nur, um mal wieder Recht zu haben. Man kennt das ja und deshalb will man ihn, Hilde und Stefan ja auch immer wieder sehen.
Hildes Kopf mit der himbeerfarbenen Badekappe drauf sieht aus wie ein gefärbter Blumenkohl mit Brille. Der Mut zur komischen Hässlichkeit, den Sabine Urig als Heinz Beckers moppeliges Eheweib in " Abgetaucht" an den Tag legt, ist kaum zu überbieten. Allenfalls Heinz hätte mehr Lacher erzielt, wenn er in dieser Folge, die nahezu ausschließlich in einem Hallenbad spielt, in Badehose vor der Kamera erschienen wäre. Das tut er aber nicht, und mehr noch: Heinz tritt optisch überhaupt nicht in Erscheinung. Dafür hört man ihn fleißig aus dem "Off". Etwa am Beckenrand, wenn er Hilde zuruft: "Ich muss dann mal a Bach machen gehen".
Wenn der Vater den Sohn in seine Stammkneipe mitnimmt, dann hat's der Sohn zum "echten Mann" gebracht. Das zählt mehr als Führerschein, Schulabschluss und Wahlrecht. Für die beiden Kneipengänger Heinz und Stefan Becker heißt das konkret: Bier und Schnaps im "Eckstübchen" bis zur Schmerzgrenze. Das man sich bei dieser zünftigen Initiation geistig nicht gerade auf der Überholspur befindet, gehört zum Ritual und bereitet dem Zuschauer einiges Vergnügen. Besonders wenn Vater und Sohn auf dem Heimweg im Meierschen Blumenbeet wildern und lautstark die lieben Nachbarn aus ihren süßen Träumen reißen. "Ex und hopp" ist komischer Naturalismus. Man glaubt, jede Situation selber schon einmal erlebt zu haben. Bei den verrauchten Bildern in dem "Eckstübchen" riecht man förmlich, den Zigarrenqualm und schmeckt die bruzzeligen Frikadellen. Näher ran ans Leben kommt auch keine Doku-Soap.
Als ob die Welt der Beckers nicht schon jetzt ein einziges großes Durcheinander wäre. Um ihrer ständigen Verwirrung die Krone aufzusetzen, besuchen Heinz und Hilde zusammen mit Roswitha und Kurt Meier die "Kerb" oder "Kirmes", wie man den Rummelplatz im Hochdeutschen nennt. Dass sich die vier Provinz-Helden und ihre Kinder Stefan und Jessica nicht vollkommen aus den Augen verlieren, liegt einzig an den irgendwo begrenzten Dimensionen dieser bonbonfarbenen Lichterwelt. Trotzdem gibt es genügend Gelegenheiten für jeden, seine völlige Desorientierung eindrucksvoll unter Beweis zu stellen. Wenn Hilde an der Schießbude dem Hund des Schaustellers versehentlich eine Ladung Blei aufs Fell brennt oder Roswitha einem Schrank von Mann am "Hau den Lukas" quasi en passant die Schau stiehlt, dann steht die Alltagswelt der Beckers Kopf. Meier Kurt hat ständig Angst vor Fahrgeschäften, "do wo ma sich do so üwerschlaat". Aber mit Heinz zusammen wagt er sich trotz allem in die Geisterbahn und Hilde sorgt auf ihre Art für Nervenkitzel. Irgendwann stehen die Beckers und die Meiers vor der ohrenbetäubenden Kulisse einer Indoor-Achterbahn. Minutenlang brüllen Sie unbeirrt und ohne Pause aneinander vorbei. Damit erreicht die permanente Sinnverdrehung ihren fulminanten Höhepunkt. Und was die Beckers daheim ansonsten wie ein Kammerstück zelebrieren, gerät auf der "Kerb" zu einer orchestralen Kakophonie.
Wer Heinz Becker kennt (und wer kennt ihn nicht), der weiß, der Heinz, der ist aus Holz, der fühlt nichts und dem tut auch wenig weh. Das gilt nicht, wenn der Zahnarzt seine Spritze zückt. Dann wird aus der deutschen Saarland-Eiche eine schlappe Primel. Hilde kennt das schon und hat Nachsicht, stützt ihren Peiniger, wenn dieser mit dicker Backe und unerklärlicher Weise humpelnd den Dentisten verlässt. Bei "Oben rechts die Vier" weiß der Zuschauer nicht, wer mehr leidet, das Ehepaar Becker in seinen Behandlungsstühlen oder das Zahnarztpersonal im Umfeld. Schon im Wartezimmer schlagen Heinz und Hilde zu und gehen den übrigen von Zahnschmerzen geplagten Patienten mit einer Endlos-Diskussion über Lammbraten mit Schnibbelbohnen auf den Keks. Heinz mit weit aufgesperrtem Mund und Brachial-Tamponage ist das optische Highlight der Folge. Wenn der Patient dann noch völlig unverständliches Gegrunze absondert und sein Arzt dieses Wortpürrée offensichtlich problemlos versteht und lockere Kommunikation anknüpft, dann ist diese Szene hitverdächtig. "Oben rechts die Vier" zu erleben bedeutet, die Angst vor jedem Zahnarzt zu verlieren. Es sei denn, Heinz Becker und Gattin erscheinen im Wartezimmer.
Menschen, die auf einer Autobahn im Stau stehen, verfügen unversehens über Zeit, die sie gar nicht haben wollten. Entsprechend merkwürdig fallen die Aktivitäten aus, die diesen temporären Hohlraum füllen sollen. Familie Becker, die mit Sohn Stefan und Nachbarstochter Jessica unterwegs ist, tut in diesem Falle das, was sie am besten kann, nämlich alles zerreden und wenn das nicht reicht, lautstark streiten. "Stau" ist eine klassische Episodenfolge, die nicht nur den alles besser wissenden Heinz und seinen Tross in der schwitzenden Blechlawine vorführt, sondern auch andere "Stau-Teilnehmer". So etwa ein älteres Ehepaar, dass im Angesicht eines fetten LKW-Auspuffs plötzlich die Farbe wechselt oder einen resignierten Weinhändler, der den Führungskräften eines Fernsehteams seine vergorenen Rebsäfte kredenzt. Als schrilles Glanzlicht erscheint ein Auftritt des Berliner Comedian Hans Werner Olm in seiner Figur Luise Koschinzki. Auf der Suche nach einem WC verlässt Luise ihr altersschwaches Cabrio und schwadroniert unüberhörbar über Polizei, Unfalltote und die gute Luft des "Saargebiets". "Stau" steckt voller detaillierter Alltagsbeobachtungen des Autors Gerd Dudenhöffer. Seine besonderen Stärken sind wie immer die Konfrontation auf engstem Raum und der leise blühende Wahnsinn, wenn die Dinge ihre gewohnten Bahnen verlassen.